Chronik/Archiv

Aus dem Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde Ruppichteroth

Einige Daten aus der Geschichte der evangelischen Kirchengemeinde Ruppichteroth

1683   Bau der evangelischen Kirche (ohne Turm)
1686   Bau des ersten Pfarrhauses
1687   Anlage eines Friedhofes neben der Kirche
1792   Fertigstellung des Kirchturmes
1818   Kauf der ersten Orgel bei Nohl (Eckenhagen)
1834   Befreiung der evangelischen Gemeindeglieder von Abgaben an kath. Gemeinde
1836   Renovierung der Kirche und Einbau eine Empore
1837   Bau eines neuen Pfarrhauses neben der Kirche
1891   Kauf von 3 Glocken
1905   Bau des ersten Gemeindehauses
1911   Kauf einer neuen Orgel bei Faust in Barmen
1917   Abgabe der drei Bronzeglocken wg. 1. Weltkrieg
1919   Neugründung des im Krieg aufgelösten Kirchenchores
1921   Kauf von drei Gußstahlglocken
1955   Einweihung des Jugendheimes
1958   Grundlegende Renovierung des Innenraums der Kirche
1960   Fertigstellung Pfarrhaus "Zum Sperber"
1962   Einrichtung einer evangelischen Schwesternstation
1968   Kauf einer neuen Orgel bei Klais in Bonn
1999   Neubau des Gemeindehauses nach Abriss des alten Gebäudes

Chor um 1930

 

 

 

In eigener Sache

Die Evangelische Kirchengemeinde sucht einen Ehrenamtlichen Archivar.
Wäre diese Arbeit etwas für Sie? Entsprechende Lehrgänge werden angeboten.
Bei Interesse melden Sie sich bitte im Gemeindebüro oder bei Pfarrer Neuhaus.

 

 

... Beschwert sich Evangelisch Lutherischer Pastor zu Ruppichterodt ...

„Archive stehen im Rufe der Unheimlichkeit wie Burgverließe, in welchen Unken, Ottern, Molche, Kobolde und böse Geister ihr Wesen treiben und Modergeruch verbreiten ...“ (so schrieb ein großherzoglicher Archivar 1842). Oder sind Archive nur ganz einfach stocklangweilig? Wenn Sie das wirklich glauben, dann hier zwei Lesefrüchte aus unserem kostbaren alten Gemeindearchiv, das im Jahre 2006/2007 einer gründlichen Revision und Katalogisierung durch Pfr. i.R. Dr. Holger Weitenhagen unterzogen wurde:

Beispiel 1:

In den Jahren um 1740 mußte der evangelische Pfarrer zu Ruppichteroth häufig vor dem ihm gar wenig freundlich gesonnenen gräflichen Hofrat de Proff in Eitorf bzw. Blankenburg erscheinen, um unter anderem seine Beschwerden („Gravamina“) vorzubringen. Eine der 100 Originalurkunden enthält beispielsweise allein 12 ausführliche Klagen, davon einige in modernes Deutsch übertragen:
~ daß die wenigen evangelisch-reformierten Ruppichterother zwar für Taufen, Beerdigungen, Gottesdienste usw. zum evang.-lutherischen Pfarrer gingen, vom katholischen aber bei Aufmarsch der Schützengarde und Verhör dazu gezwungen würden, ihm die Gebühren dafür (das „Stolgeld“) zu entrichten;
~ daß zwar von der Ortsgemeinde die Verlautbarungen den Katholiken „proclamieret“ (ausgerufen) würden, nicht aber den Evangelischen, was zu Versäumnisstrafen führe;
~ daß der Schultheiß in Herchen stets versuche, die kurfürstliche Pachtsteuer für Grundstücke der evangelischen Gemeinde „eigenwillig“ zu berechnen;
~ daß der katholische Pfarrer das Geld für die Unterhaltung seiner Schul- und sonstigen Gebäude auch von den Evangelischen mit Gewalt eintreiben ließe, obwohl diese sie gar nicht nutzen würden;
~ daß man dem katholischen Pastoren und seinem Glöckner gegen alle gute Sitte Neujahrsgaben abzuliefern hätte;
~ daß der Schützenfeldwebel ihm, dem Pfarrer, bei der Aushebung für das kaiserliche Heer einfach seinen Knecht weggenommen und alle evangelischen Prediger (pardon!) Schweine und seine Mutter und Schwestern Canaillen und Teufelskinder genannt habe;
~ daß man ihm, dem Pastor, beim Durchmarsch der österreichischen Husaren gegen alles Recht einen Trompeter mit Pferd einquartiert habe, der ihn bis in die späte Nacht samt seinen Kameraden mit lautem Blasen belästigt habe;
... und noch sechs weitere Klagen wegen Verstößen gegen den Augsburger Religionsfrieden, die gute Sitte sowie Recht und Gesetz [März 1743]. Leider haben wir nicht die Ergebnisse, nur die Anhörungsprotokolle, davon aber fast 100 Urkunden ...

Beispiel 2:

150 Jahre später – noch vor der Zeit der Scheidungsanwälte – durfte der Pfarrer auch in Ehestreitigkeiten tätig werden. Hier aus einem besonders schönen (?) Protokoll, unter gnädiger Weglassung aller Namen:
„..., d. 5.9.1901: Dem Herrn Pastor Patho zur gefl. Durchsicht: Zum ehelichen Zwiespalt xxx:
Bemerkt und schreibt der Mann, es ist unmöglich mit dem Weibe auch nur einen Tag in Frieden leben zu können; auch ist eine Kindererziehung nicht im Bereich des Möglichen.
Von Morgens 6 Uhr ab verläßt die Frau bis ½ 8 Uhr das Haus, die Schüler kommen fast jeden Morgen zu spät und ungewaschen zur Schule, Lehrer fragen, um 9 Uhr geht sie wieder fort kommt gegen 12 Uhr zurück, bringt etwas dicke Milch mit hiezu macht sie alte Kartoffel warm und das Mittagessen ist fertig. Gemüse zu kochen geschieht nicht obgleich ich den Garten voll schöne Gemüse habe, bitte im Garten einsehen was da ist, neu Salat, zwei Sorten Bohnen, Möhren und noch mehr. Öfters kommt es vor das Mittags gar nicht gekocht so ges-tern noch, es kamen gestern mittag 3 Kinder aus der Schule frugen nach Mama und Mittagessen, aber sie kam erst gegen ½ 4 Uhr an, da kochte sie etwas Kartoffel u. Kaffee und dies diente für Mittag und Abend zusammen, so geht das einen Tag dem anderen nach, dabei rühmt sie sich ihrer vielen gethaner Arbeit. Kindern die Kleider flicken und waschen fällt ihr gar nicht ein, kein Kind in der Schule glaube ich ist so schmutzig wie die 3 xxx, Lehrer fragen nach. Mir selbst hat sie in 14 ½ Jahren nie ein Kleidungsstück geflickt, häufig habe ich mir die Hemde geflickt und gewaschen.
Es sind Läuse und anderes Ungeziefer, Kinder frugen ob sie Läuse angehabt hätten und noch hätten. Bitte Herr Pastor lassen Sie sich doch mal die Kinder betten zeigen, aber auch 2te Etage. Die Fenster sind mit Spinngewebe und Dreck verdeckt.
Meine Zimmer 2te Etage links reiniche ich selbst auch mache ich selbsten Bett. Zum Schlusse bemerke, das ich mir vieles muß gefallen lassen, als von den Kinder schimpfen lassen mit Steine werfen, zu den Fenster herein mit allerhand Unrath bewerfen, das alles sieht die Mutter und belobt die Kinder tüchtig und gibt ihnen auch einige Zuckersteine als Lohn hiefür.
Es war der Frau mit dem Steinewerfen der Kinder auf mich noch zu wenig, sie rief am Sonntag dem xxx seinem Lehrjungen Simon komm und schlage den alten Kerl also mich todt, Simon kam auch auf ihr rufen, kam mir nach bis außer von ort und

 

hierüber werde ich bei der kgl. Staatsanwaltschaft Klage gegen die Frau und den Lehrjungen anstellen. [...] Hochachtend xxx.“

Vorstehende Abhandlung hat Pfr. i.E. Dr. Holger Weitenhagen zusammengestellt.  2006 und 2007 hat er unser Kirchenarchiv neu revisioniert und katalogisiert.